Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit unserem „gemeinsamen“ Abendgebet geht. Ich finde es gut, zu wissen, dass sich viele mit uns im Gebet verbinden: die Pfarrgemeinde Großpetersdorf betet mit uns und auch Eisenstadt, wie ich gestern erfahren habe. Ich glaube daran, dass unsere Gebete eine große Macht haben und erhört werden. Wir werden schon sehen, wenn wir auf diese Zeit zurückblicken. Dennoch fällt es uns manchmal schwer, Worte für all das zu finden, was uns in diesen Tagen bewegt. Es ist dann gut, sich Worte zu leihen. Zum Beispiel das Gebet, das der große reformierte Theologe und Pfarrer, Karl Barth 1958 als Abschluss seiner Weihnachtspredigt in der Strafanstalt in Basel gebetet hatte:
„Herr unser Gott! Wenn wir Angst haben, dann lass uns nicht verzweifeln! Wenn wir enttäuscht sind, dann lass uns nicht bitter werden! Wenn wir gefallen sind, dann lass uns nicht liegen bleiben! Wenn es mit unserem Verstehen und mit unseren Kräften zu Ende ist, dann lass uns nicht umkommen! Nein, dann lass uns deine Nähe und deine Liebe spüren, die du ja gerade denen verheißen hast, deren Herz demütig und zerschlagen ist und die sich fürchten vor deinem Wort. Zu allen Menschen ist ja dein lieber Sohn gekommen als zu solchen, die so dran sind. Eben weil wir alle so dran sind, ist er im Stall geboren und am Kreuz gestorben. Herr, erwecke uns alle und halte uns alle wach zu dieser Erkenntnis und zu diesem Bekenntnis! Und nun denken wir an alle Finsternisse und Leiden dieser unserer Zeit – an die vielen Irrtümer und Missverständnisse, mit denen wir Menschen uns plagen – an all das Harte, das so Viele trostlos tragen müssen – an all die großen Gefahren, von denen die Welt bedroht ist, ohne Rat zu wissen, wie sie ihnen begegnen soll. Wir denken an die Kranken und Geisteskranken, an die Armen, die Vertriebenen, Unterdrückten und Unrecht Leidenden, an die Kinder, die keine oder keine rechten Eltern haben. Und wir denken an Alle, die berufen sind, so weit zu helfen, als Menschen helfen können: an die Regierungsmänner unseres Landes und aller anderen Länder, an die Richter und Beamten, an die Lehrer und Erzieher, an die Menschen, die Bücher und Zeitungen zu schreiben haben, an die Ärzte und Schwestern in den Spitälern, an die Verkündiger deines Wortes in den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften in der Nähe und in der Ferne. Wir denken an sie alle mit der Bitte, dass das Licht der Weihnacht ihnen und uns hell, viel heller als bisher leuchten möge, damit ihnen und uns geholfen werde. Das alles im Namen des Heilandes, in welchem du uns schon erhört hast und wieder und wieder erhören willst. Amen.“