16.04.2020 – Die leichteste Todesstrafe / Johann Peter Hebel

Man hat gemeint, die Guillotine sei’s. Aber nein! Ein Mann, der sonst seinem Vaterland viele Dienste geleistet hatte und bei dem Fürsten wohl angeschrieben war, wurde wegen eines Verbrechens, das er in der Leidenschaft begangen hatte, zum Tode verurteilt. Da half nicht Bitten, nicht Beten. Weil er aber sonst bei dem Fürsten wohl angeschrieben war, ließ ihm derselbe die Wahl, wie er am liebsten sterben wolle; denn welche Todesart er wählen würde, die sollte ihm werden.

Also kam zu ihm in den Turn der Oberamtsschreiber: „Der Herzog will Euch eine Gnade erweisen. Wenn Ihr wollt gerädert sein, will er Euch rädern lassen; wenn Ihr wollt gehenkt sein, will er Euch henken lassen. Es hängen zwar schon zwei am Galgen, aber bekanntlich ist er dreischläuferig. Wenn Ihr aber wollt lieber Rattenpulver essen, der Apotheker hat. Denn welche Todesart Ihr wählen werdet, sagt der Herzog, die soll Euch werden. Aber sterben müsst Ihr, das werdet Ihr wissen.“

Da sagte der Malefikant: „Wenn ich denn doch sterben muss, das Rädern ist ein biegsamer Tod, und das Henken, wenn besonders der Wind geht, ein beweglicher. Aber Ihr versteht’s doch nicht recht. Meines Orts, ich habe immer geglaubt, der Tod aus Altersschwäche sei der sanfteste, und den will ich denn auch wählen, und keinen andern“, und dabei blieb er und ließ sich’s nicht ausreden. Da musste man ihn wieder laufen und fortleben lassen, bis er an Altersschwäche selber starb. Denn der Herzog sagte: „Ich habe mein Wort gegeben, so will ich’s auch nicht brechen.“

Dies Stücklein ist von der Schwiegermutter, die niemand gerne umkommen lässt, wenn sie ihn retten kann.

15.04.2020 – Gottes JA zu uns / Dietrich Bonhoeffer

Die Auferstehung Jesu Christi ist Gottes Ja zu uns. Christus starb um unserer Sünde willen, er wurde auferweckt um unserer Gerechtigkeit willen (Römer 4, 25: „Jesus ist um unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Rechtfertigung willen auferweckt.“). Christi Tod war das Todesurteil über uns und unsere Sünden. Wäre Christus im Tode geblieben, so wäre dieses Todesurteil noch in Kraft; wir wären noch in unseren Sünden (1. Korinther 15, 17). Weil aber Christus auferweckt ist vom Tode, darum ist das Urteil über uns aufgehoben und wir sind mit Christus auferstanden (1 .Korinther 15, 20-23). Das ist so, weil wir ja kraft der Annahme unserer menschlichen Natur in der Fleischwerdung in Jesus Christus sind; was ihm widerfährt, widerfährt uns; denn wir sind von ihm angenommen. Das ist kein Erfahrungsurteil, sondern ein Urteil Gottes, das im Glauben an Gottes Wort anerkannt werden will.

Die Auferstehung Jesu Christi fordert den Glauben. Es ist das einmütige Zeugnis aller Berichte, so uneinheitlich sie sonst das hier Geschehene und Erlebte wiedergeben, dass der Auferstandene sich nicht der Welt, sondern nur den Seinen zeigt (Apostelgeschichte 10, 40 f). Jesus stellt sich nicht einer unparteiischen Instanz, um sich vor der Welt das Wunder seiner Auferstehung beglaubigen zu lassen und sie damit zur Anerkennung zu zwingen.
Er will geglaubt, gepredigt und wieder geglaubt sein.

Dietrich Bonhoeffer, Betrachtung zu Ostern: Auferstehung. Stettin, März 1940

Quelle:
DBW Band 16, Seite 472, 473

12.04.2020 – Jesus kommt, trotz verschlossener Türen. Von Dietrich Bonhoeffer

„Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!“ (Johannes 20,26-28)

Jesus kommt, trotz verschlossener Türen. An der Wunderbarkeit seiner Gegenwart konnte darum kein Zweifel sein. Er spricht den Friedensgruß, der allen, aber diesmal wohl besonders dem friedlosen Herzen des Thomas gilt. Jesus kommt um seines zweifelnden Jüngers willen. Er kennt ihn durch und durch. Das geht aus seinem ersten Wort an Thomas hervor. Jesus stillt das zweifelnde Verlangen des Jüngers, indem er ihm gewährt, was er der Maria versagte (Johannes 20,17: Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an!). Es ist eben ein Unterschied, ob wir uns etwas nehmen wollen oder ob der Herr uns etwas gibt. Maria wird zurückgewiesen, Thomas darf hören, sehen und betasten. Unbegreifliche Herablassung des Herrn zu seinem zweifelnden Jünger, sich von ihm auf die Probe stellen zu lassen. „Werde nicht ungläubig, sondern gläubig.“ Christus wirbt um seine Jünger, noch ist die letzte Entscheidung nicht gefallen, wenn auch in bedrohlicher Nähe. Aber indem Jesus den Jünger als noch nicht gegen ihn Entschiedenen anspricht, gibt er ihm Freiheit zur Umkehr. Ob Thomas seine Hand auszustrecken gewagt hat, bleibt unausgesprochen. Es ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass in Thomas der Osterglaube durchbricht: „Mein Herr und mein Gott.“ Das ist das ganze Osterbekenntnis. So hatte vor diesem Zweifler noch keiner gesprochen.

File:Bundesarchiv Bild 183-R0211-316, Dietrich Bonhoeffer mit Schülern.jpg
Dietrich Bonhoeffer mit Schülern

(Zitiert nach: Dietrich Bonhoeffer, Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940, DBW Band 15, Seite 558)

12.04.2020 – Taggedanke Ostersonntag

„Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war.“ (Markus 16,2-4)

„Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war.“ Während noch die Frage im Raum steht, ist die Antwort schon gegeben.

Augen auf, Kopf hoch! Frohe Ostern!