29.04.2020 – Die Sicht des guten Hirten

Über Jesus heißt es im Matthäus-Evangelium (Kapitel 9, Vers 36): „Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“

Jesus sieht das Volk und „es jammert ihn“. Das Wort im griechischen Urtext ist stärker, es kommt vom Substantiv für „Eingeweide, Herz, Innerstes“.

„Es ging ihm durchs Innerste“, „…durch Mark und Bein“, besser noch „Es ging ihm zu Herzen“ oder „es berührte sein Innerstes“.

Jesus sieht die vielen Kranken und das ganze Volk. Wer weiß, was sie in ihm sehen. Den Wunderheiler, Magier, den Schönredner. Aber sein Anliegen, seine Botschaft, seinen Auftrag? Vor ihm sind wohl ganz viele mit ganz wenig Ahnung.

Wie Schafe ohne Hirten. Durcheinander, zerstreut.

So ein Blick auf die Zeitgenossen wäre ab und zu nötig. Ein liebevoller Blick auf all die Neunmalklugen, die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben; ein offenes Herz für alle, die an anderen kein gutes Haar lassen. Innerlich berührt von Schwätzern und Stammtischrednern.

Ja, das wäre gut, Menschen so zu sehen. Nicht als Störfaktor. Sondern als liebesbedürftige Gegenüber. Als Kinder Gottes. Auch wenn das auf den ersten Blick nicht so ist. Nein, nicht „auch wenn“, gerade dann.