Heilige des Alltags: Manchmal nimmt man liebe und freundliche Menschen wahr und ahnt nicht, was sie mit sich herumtragen. Eine Geschichte, eine Sorge, eine Not hätte sie klein oder aggressiv oder giftig machen können. Und dann haben sie ihre Geschichte, ihre Sorge, ihre Not – niemand ahnt etwas – und sie strahlen Gutes aus.
Sie sind unerkannt, unbekannt und es gibt sie. Von einem will ich erzählen:
Ein liebenswerter alter Mann, für jeden ein freundliches Wort, mit Witz und Augenzwinkern. Seine Frau war vor Jahren gestorben. Im Kreise gleich alter Damen war er ein Charmeur, ein liebenswerter Hahn im Korb. Wenn er redete, hörte man, dass er von östlich der Elbe kam.
An einem Abend, nach dem Kreis in der Gemeinde damals, gab es noch ein gemütliches Treffen und der Wein löste seine Zunge. Er erzählte, unter welch abenteuerlichen Umständen er von dort nach hier kam. Er war Soldat. Hat sich durchgeschlagen, so, als ob er den braven Soldaten Schwejk zum Vorbild gehabt hätte. Seine Frau war zu Hause. Hat sich kurz vor dem Ende des Kriegs aufgemacht gen Westen, die Front hat den Treck überrollt. Irgendwann hatten sie sich wieder. Und irgendwann, irgendwann, viel später, hat die Frau ihrem Mann gestanden, dass sie von Rotarmisten vergewaltigt worden war. Sie fühlte sich schuldig. Hatte Angst mit sich herum getragen, ihr Mann werde sie verstoßen. Er, das Herz auf dem rechten Fleck, hat doch gewusst, welche Umstände dazu geführt hatten. Und dann lagen sie sich heulend in den Armen, minutenlang. Versöhnt über etwas, wofür keiner der beiden etwas konnte.
Er hatte beim Erzählen feuchte Augen bekommen. Ich war berührt.
Manchmal, habe ich daraus gelernt, manchmal nimmt man liebe und freundliche Menschen wahr und ahnt nicht, was sie mit sich herumtragen. Eine Geschichte, eine Sorge, eine Not hätte sie klein oder aggressiv oder giftig machen können. Und dann haben sie ihre Geschichte, ihre Sorge, ihre Not – niemand ahnt etwas – und sie strahlen Gutes aus.
+++ Herzliche Gratulation an unsere Frau Pfarrer, Virág Magyar: sie hat am heutigen Tag beim Evangelischen Oberkirchenrat ihre Ergänzungsprüfungen in Österreichischem Kirchenrecht und Österreichischer Kirchengeschichte mit Erfolg abgelegt. Aufgrund der Coronasituation erfolgte die Prüfung online. Beisitzer der Prüfungskommission war Bischof Mag. Michael Chalupka. +++